[ Torsten Kupfer, Arbeitersportler gegen den Faschismus. Die Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit in Leipzig 1933 bis 1935 ]

Beilage 2: Die Organisation der Roten Sportler in Sachsen 1932 - Ergebnisse der statistischen Auswertung des "General-Fragebogens für alle Vereine der Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit. 1. Halbjahr 1932"

Zur organisatorischen Zusammenfassung der nach dem 16. Bundestag des Arbeiter-Turn- und Sportbundes (ATSB) aus den reformistischen Sportverbänden (ATSB, Arbeiter-Rad- und Kraftfahrerbund "Solidarität", Arbeiter-Athleten-Bund, Touristenverein "Die Naturfreunde", Arbeiter-Samariter-Bund u.a.) ausgeschlossenen kommunistischen Sportler initiierte die KPD im Mai 1929 die Gründung der Interessengemeinschaft zur Wiederherstellung der Einheit im Arbeitersport. Ende 1930 erfolgte die Umbenennung in Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit (KG). Gleichzeitig bekam Ernst Grube, Mitglied des ZK der KPD und Reichstagsabgeordneter, die Führung der Organisation übertragen.

Die KG verstand sich als Instrument zur Herstellung der Einheitsfront der Arbeiterklasse auf dem Gebiete des Sports. Während anfangs der Weg hierzu in der Wiederaufnahme der kommunistischen und mit ihnen sympathisierenden Sportler in die reformistischen Arbeitersportverbände gesehen wurde, verlagerte sich mit zunehmender Zeitdauer ihrer Existenz das Schwergewicht der Anstrengungen auf die Schaffung eines eigenen schlagkräftigen Sportverbandes, der die organisatorische Basis der Sporteinheitsfront bilden sollte. Die KG erreichte am Ende der Weimarer Republik eine Mitgliederzahl von 250.000 (zum Vergleich: der Dachverband der reformistischen Sportorganisationen, die Zentralkommission für Arbeitersport und Körperpflege, vereinigte über 1,2 Millionen Mitglieder auf sich).(1) Erfolge in der Herstellung der Einheitsfront waren, v.a. auf Grund antikommunistischer Vorbehalte der reformistischen Sportfunktionäre, punktuell nur an der Basis anzutreffen. Die KG leistete von 1933 bis 1935 einen organisatorisch eigenständigen Widerstand gegen den Faschismus; 1935 gingen die verbliebenen Gruppen in den Widerstandsorganisationen der KPD auf.

Trotz Vorliegens grundlegender Wertungen(2) und Untersuchung einzelner Aspekte(3) bedarf die Geschichte der KG weiterer Forschung. Nicht zuletzt bedingt durch einen niedrigen Stand der Quellenerfassung und -aufarbeitung steht eine Gesamtdarstellung noch aus. Um so höher ist der Fund von 174 Exemplaren des "General-Fragebogens für alle Vereine der Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit. 1.Halbjahr 1932" im Nachlaß des ehemaligen Org.-Leiters der Landesleitung Sachsen der KG, Paul Kloß, zu bewerten.(4) Mit der Auswertung dieses Materials ist es erstmals möglich, ein umfassendes Bild von der inneren Struktur der KG in Sachsen und wesentlicher Seiten ihrer Tätigkeit zu erhalten, wobei die gewonnenen Angaben nicht nur für die Sportgeschichtsschreibung sondern auch für die Geschichte der revolutionären Massenorganisationen von generellem Interesse sein dürften. Die Problematik der Quelle liegt darin, daß für andere Gebiete Deutschlands keine Vergleichsdaten vorliegen. Dargestellt werden kann also nur die Besonderheit Sachsens, ohne die allgemeine Entwicklung in Deutschland in dieser Detailliertheit nachvollziehen zu können. Es ist auch kaum mit dem Auffinden weiterer Exemplare des "General-Fragebogens ..." für andere Landesteile zu rechnen, da wir die Existenz dieses Quellenbestandes lediglich einem Disziplinbruch verdanken: Für den Fall der Errichtung der faschistischen Diktatur bestand die Weisung zur Vernichtung aller Dokumentationen. Das geschah durch die Landesleitung Sachsen der KG nicht; einen Tag vor der anstehenden Haussuchung wurde, nach Warnung durch einen Polizisten, das Büro geräumt,(5) ein Teil der Materialien überdauerte verborgen die Zeit des Faschismus.

In der folgenden Auswertung wird der "General-Fragebogen ..." als Quelle nicht mehr gesondert angemerkt. Verweise erfolgen nur auf zusätzlich hinzugezogene, die Aussage des Dokumentes unterstützende bzw. illustrierende Quellen.
Es sei noch darauf hingewiesen, daß statistische Massendaten solcher Art mit den herkömmlichen Methoden nur für den Preis eines immend hohen Zeitaufwandes auswertbar sind. Bei dieser Untersuchung erwiesen sich der Personalcomputer "PC 1715" und das Programm "kp" als äußerst hilfreich und hinreichend leistungsfähig. Die gewonnenen Werte wurden in der Regel auf ganzzahlige Werte gerundet.

*

1. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß mit der vorliegenden Quelle die knappe Hälfte aller Vereine, ein Drittel der Mitglieder und auch die regionale Konzentration der Organisation erfaßt wird, können die nachfolgenden Berechnungen in der Tendenz ihrer Aussage als repräsentativ für Sachsen gelten.


2. Die KG ist im Jahre 1932 flächendeckend in allen Landesteilen Sachsens existent. Das Landesgebiet Sachsen der Kampfgemeinschaft untergliedert sich in die Agitationsbezirke Oberlausitz (Bautzen), Dresden, Chemnitz, Zwickau, Limbach-Burgstädt, Vogtland (Plauen), Leipzig, Döbeln und Erzgebirge (Bermsgrün).(6)
Vor allem unter dem Aspekt der Möglichkeit des Organisationsverbots und damit der Notwendigkeit des Übergangs zur illegalen Arbeit erfolgt im zweiten Halbjahr 1932 eine weitere Untergliederung; ein Rundschreiben vom Januar 1933 benennt die Agitbezirke Leipzig, Dresden, Chemnitz, Aue, Zwickau, Limbach, Bautzen, Plauen, Döbeln, Annaberg, Pockau, Oelsnitz, Zittau, Pirna, Wurzen, Borna, Freital und Falkenstein.(7)
Die Landesleitung der KG befindet sich seit Anfang 1932 in Leipzig, Pol.-Leiter ist Heinz Dose, Org.-Leiter Paul Kloß. Mit ca. 33.400 kassentechnisch erfaßten Mitgliedern im Juni 1932 ist das Landesgebiet Sachsen hinter Berlin (ca. 42.600) das zweitstärkste der KG.(8)
Der prozentual bedeutendste Teil der sächsischen KG-Mitgliedschaft konzentriert sich im Agitbezirk und v.a. in der Stadt Leipzig (28% = ca. 9.240 Mitgl.).(9) Im folgenden eine Aufstellung der Mitgliederverteilung über Sachsen und der Vergleich zur Mitgliederstärke der reformistischen Arbeitersportverbände im jeweiligen Territorium (alle Angaben für Februar 1932) (10):
Agitbezirk
Mitglieder
Anteil an der Gesamtmitgliedschaft
Mitglieder der reformistischen Arbeitersportverbände im Territorium
KG-Mitglieder in Relation zu den reformistischen Arbeitersportlern im Territorium
Leipzig
12.000
35,9%
33.679
35,6%
Dresden
4.600
13,8%
38.631
11,8%
Chemnitz
5.000
15%
30.812
16,2%
Erzgebirge
3.800
11,3%
15.486
24,5%
Zwickau
850
2,5%
16.069
5,3%
Limbach
2.850
8,5%
7.975
35,7%
Lausitz
1.100
3,3%
14.428
7,6%
Vogtland
2.900
8,7%
6.884
42,1%
Döbeln
320
1%
16.208
2%
gesamt
33.420
100%
180.172
18,6%


3. In der Entstehungsweise der untersuchten Vereine halten sich im Landesgebiet Übertritte aus anderen Sportverbänden und Neugründungen die Waage (51% : 49%), bei einer Aufschlüsselung auf die Agitbezirke differenziert sich das Bild: eine Vielzahl von Übertritten in den Agitbezirken Limbach-Burgstädt (71%), Vogtland (81%) und Erzgebirge (79%) lassen sowohl auf starke Positionen der Kommunisten in der Arbeitersportbewegung als auch auf scharfe Auseinandersetzungen mit reformistischen Arbeitersportführungen schließen. Andererseits läßt ein hoher Prozentsatz von Vereinsneugründungen in den Agitbezirken Oberlausitz (75%) und Döbeln (100%), insbesondere ab 1931, die Annahme zu, daß den Kommunisten ein Eindringen in die reformistische Arbeitersportbewegung dieser Gebiete nur in äußerst geringem Maße gelungen ist.
Eine Analyse der Herkunft der zur Kampfgemeinschaft übergetretenen Vereine ergibt, daß sie zu 95% aus den reformistisch geführten Arbeitersportverbänden stammen, zu 65% allein schon aus dem Arbeiter-Turn- und Sportbund.
Die erdrückende Mehrheit der erfaßten Vereine schließt sich der Kampfgemeinschaft nach 1930 an, zwischen dem 01.07.1931 und dem 31.06.1932 allein 40%. Hier wird deutlich, daß zu diesem Zeitpunkt die generelle Linie zur Verwirklichung der Sporteinheitsfront durch die Kommunisten nicht mehr auf Wiederaufnahme in die reformistischen Arbeitersportverbände sondern auf die Schaffung eines eigenen, revolutionären, schlagkräftigen Arbeitersportverbandes gerichtet ist.
Die durchschnittliche Mitgliederzahl der untersuchten Vereine beträgt am 01.01. bzw. 31.06.1932 85 bzw. 91 Sportler (minimal: 8, maximal: 536 bzw. 652). Anfang 1933 liegt der Durchschnittswert für ganz Sachsen ebenfalls bei 85;(11) in den Großstädten allerdings erheblich höher, in Leipzig z.B. bei 185 Rot-Sportlern pro Verein.(12)


4. Angaben zur Altersstruktur der Mitgliedschaft (alle Angaben in %; für den 01.10.1932 konnten rund 6% und für den 31.06.1932 rund 0,7% nicht mitgliedermäßig abgedeckt werden):
Mitglieder am 01.01.1932
Mitglieder am 31.06.1932
Durchschnitt
min.
max.
Durchschnitt
min.
max.
Kinder
15
0
51
19
0
61
Jugendliche
11
0
39
9
0
58
Männer
59
10
100
60
17
100
Frauen
9
0
50
10
0
47


5. Die folgende Übersicht läßt - scheinbar - auf einen kontinuierlichen Mitgliederzuwachs im ersten Halbjahr 1932 schließen:
Mitglieder am 31.06.1932 (01.01.1932 = 100%)
 
Durchschnitt
min.
max.
Kinder
163
75
2.250
Jugendliche
117
50
2.300
Männer
129
54
227
Frauen
142
6
210
gesamt
127
44
262
Der Fehler unserer Aufstellung liegt darin, daß hier nur Vereine Berücksichtigung finden, die der KG das ganze erste Halbjahr 1932 angehört haben oder innerhalb dieses Zeitraumes zu ihr gestoßen sind. Keine Berücksichtigung finden aber Vereinszusammenschlüsse (weisen sich als rasanter Anstieg des Mitgliederbestandes aus), Vereinsauflösungen und Austritte aus der KG. Nicht zuletzt auch werden jene Vereine den Fragebogen nicht eingeschickt haben, die von jeher eine weniger aktive Arbeit leisten.
Tatsächlich läßt sich im Vergleich der Mitgliederzahlen vom März 1932 zum Juni 1932 ein Rückgang auf 99,68% nachweisen (im Mai allerdings noch 102,46%). Das liegt in der Tendenz der Mitgliederentwicklung der KG; der Vergleichswert für das ganze Reichsgebiet beträgt 98,78%.(13) Als generelle Tendenz im Jahre 1932 läßt sich die Stagnation des Mitgliederbestandes im Landesgebiet Sachsen der KG ausweisen. Dazu folgende Eckdaten:
  Februar 1932 33.420 Mitglieder(14)
  März 1932 33.502 Mitglieder
  April 1932 33.961 Mitglieder
  Mai 1932 34.327 Mitglieder
  Juni 1932 33.394 Mitglieder(15)
  Januar 1933 33.000 Mitglieder
(27.000 Mitglieder über 14 Jahre, 6.000 Sportpioniere)(16)
Leider ist es aufgrund der mangelnden bzw. nicht exakten Ausfüllung der entsprechenden Abschnitte in den Fragebögen nicht möglich, exakte Angaben zur Fluktuation zu machen. Die Abgänge werden schätzungsweise ca. 15% betragen, so daß die Zahl der neugewonnenen Mitglieder höher ist, als es die bloßen Steigerungsraten aussagen.
Bei ausschließlicher Untersuchung der Vereine, die der KG das gesamte erste Halbjahr 1932 angehören, zeigt sich, daß der Zuwachs in diesen Vereinen tendenziell von einer höheren Steigerungsrate der Zahl der Kinder bestimmt wird:
Mitglieder am 31.06.1932 in % (01.01.1932 = 100%)
  Männer 106
  Frauen 115
  Erwachsene gesamt 107
  Jugendliche 113
  Kinder 136
Die absolut größte Zahl von neuen Mitgliedern floß der KG durch den Übertritt von Vereinen aus dem reformistischen Lager bzw. durch die Neubildung von Vereinen zu, wie es auch das folgende Schreiben an die Landesleitung ausweist:

"Kampfgemeinschaft für
Rote Sporteinheit                                                                     Bermsgrün, den 8.April 1932
Agit.-Bezirksleitung
Erzgebirge
                                 An
                                          die Landesleitung Sachsen der K.G.
Werte Genossen!
      Bezugnehmend auf Euer Schreiben vom 6.April
teilen wir Euch mit, daß lt. unserer Sturmplanmeldung
insgesamt 3 Vereine durch Mehrheitsbeschluß zur K.G. beige-
treten sind und zwar
      Radfahrer Aue mit          110 Mitgliedern
      Turnverein Wiesa mit       90 Mitgliedern
      Fußballer Crottendorf mit 22 Mitgliedern
      (1. u. 2.Mannschaft)        ___
                                   ergibt 222 Mitglieder. Darüber hinaus wurden in den der K.G. bereits angehörenden Vereinen u. zwar
'Sturm' Annaberg 12 Mitglieder
Sportver. Neuwelt   3     ´´
    ´´         Grünstädtel   3     ´´
Turnverein Bockau   3     ´´
Radfahrer Neustädtel   8     ´´
Zentr.-Ver. Bermsgrün   4     ´´
                                            33 Mitglieder neu geworben,
sodaß mit obenangeführten 222 Mitgliedern ein
Mitgliederzuwachs von 255 Mitgliedern zu verzeichnen
ist (nicht 253 Mitglieder, wie Ihr versehentlich angebt).
      Wir glauben dami Eurer Anfrage vom 6.April
genügend Rechnung getragen zu haben.
                                                              Rot Sport
                                                  Agitbezirksleitung Erzgebirge
                                                              Oelsner"(17)


6. Zur sozialen Lage der Mitgliedschaft (Angaben in % der Vereinsmitglieder im erwerbsfähigen Alter):
Mitglieder am 01.01.1932
Mitglieder am 31.06.1932
Durchschnitt
min.
max.
Durchschnitt
min.
max.
Angestellte in Arbeit
0,5
0
13
0,5
0
11
Arbeiter in Arbeit
15
0
87
14
0
58
Arbeitslose
85
13
100
86
42
100


7. Parteipolitische Organisiertheit (Angaben in % der erwachsenen Mitglieder):
Mitglieder am 01.01.1932
Mitglieder am 31.06.1932
Durchschnitt
min.
max.
Durchschnitt
min.
max.
KPD*
31
6
90
33
5
100
SPD
unter 1**
0
8
unter 1***
0
8
andere Parteien****
1
0
56
2
0
54
* Insgesamt dürften Mitte 1932 7.500-8.000 Genossen der KPD im Landesgebiet Sachsen in der KG organisiert sein.
** 7% der Vereine geben die Mitgliedschaft von SPD-Genossen an.
*** 10% der Vereine geben die Mitgliedschaft von SPD-Genossen an.
**** 7% der Vereine geben die Mitgliedschaft von Angehörigen "anderer Parteien" an.
Hinweise auf das Bestehen von Gruppen der Splitterparteien (KPD(O), SAP u.a.) ergeben sich für die Orte Chemnitz, Krippen, Pirna, Aue-Albersdorf, Lößnitz, Pöhla, Scheibenberg, Schneeberg, Kirschau, Plaußig, Thammenhain, Burgstädt, Göritzhain, Reichenbach, Oberwürschnitz und Werdau. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, daß unter dieser Rubrik teilweise auch die KJVD-Mitglieder angegeben werden.


8. Bezug von Presseerzeugnissen (in % der Mitglieder im erwerbsfähigen Alter):
Mitglieder am 01.01.1932
Mitglieder am 31.06.1932
Durchschnitt
min.
max.
Durchschnitt
min.
max.
Presse der KPD
31
6
100
31
3
100
Presse der SPD*
1
0
11
1
0
17
bürgerliche Presse*
2
0
60
3
0
59
*  Diese Angaben stellen gesicherte Mindestwerte dar, liegen real aber wahrscheinlich etwas höher.
Monatlich bezogene Rote Sportzeitungen im ersten Halbjahr 1932 (in % der Vereinsmitglieder): Durchschnitt: 13; min.: 0; max.: 176. Hier sind 49% der Vereine im ersten Halbjahr 1932 ohne jeden Bezug. Anfang 1933 werden 9,2% Leser des Roten Sachsensports ausgewiesen.(18)
Von der Landesleitung bezogene Broschüren (in % der Vereinsmitglieder): Durchschnitt: 30; min.: 0; max.: 556. Hier sind 61% der Vereine im ersten Halbjahr 1932 ohne jeden Bezug.


9. Gewerkschaftliche Organisiertheit (in % der Mitglieder im erwerbsfähigen Alter; die Angaben stellen sämtlich gesicherte Mindestwerte dar):
Mitglieder am 01.01.1932
Mitglieder am 31.06.1932
Durchschnitt
min.
max.
Durchschnitt
min.
max.
gewerkschaftlich Organisierte insgesamt
23
0
100
21
0
100
Revolutionäre Gewerkschaftsopposition
9
0
57
9
0
57
Rote Verbände *
2
0
79
2
0
79
Freie Verbände **
9
0
79
8
0
76
andere Gewerkschaften
2
0
83
2
0
93
* Anarcho-syndikalistische Gewerkschaften: Allgemeine Arbeiter-Union Deutschlands (AAU), Allgemeine Arbeiter-Union Deutschlands Einheitsorganisation (AAUE), Freie Arbeiter-Union Deutschlands (FAU)
** Reformistische Gewerkschaften: Allgemeiner Deutscher Gewerkschafts-Bund (ADGB), Allgemeiner freier Angestellten-Bund (AfA-Bund) u.a.


10. Zu den Einheitsfrontaktivitäten der Vereine der KG:
Von 44% der Vereine werden im ersten Halbjahr 1932 durchschnittlich zwei öffentliche Sportlerversammlungen durchgeführt, 56% der Vereine führte diese Maßnahme nicht durch. Die Versammlungen erreichen durchschnittlich 64 Teilnehmer, 19% von ihnen kommen aus reformistischen und 8% aus bürgerlichen Sportvereinen.
Verbindungen zu reformistischen oder bürgerlichen Sportvereinen besitzen 31% der KG-Vereine, 14% besitzen Kenntnis von dort bestehenden Oppositionsgruppen.
Während 41% der Vereine im ersten Halbjahr 1932 durchschnittlich drei "Solidaritätsspiele" (gemeinsame Wettkämpfe) mit reformistischen bzw. bürgerlichen Vereinen bestreiten, beteiligen sich 59% der Vereine nicht an dieser Form der Einheitsfrontarbeit.
In 20% der Vereine sind die noch beschäftigten Mitglieder nach ihrer Betriebszugehörigkeit zusammengefaßt, in 27% der Vereine arbeiten sie mit der Betriebsgruppe der Revolutionären Gewerkschafts-Opposition zusammen. Die angestrebte Gründung von Betriebssportgruppen gelingt vereinzelt nur im Agitbezirk Dresden (Textilfabrik Küttner Pirna, Farbenglaswerke Pirna, Hasseröder Papierfabrik Heidenau, Straßenbahn Dresden, Gardinenfabrik Dresden-Dobritz).(19)


11. Konzentration der Mitglieder auf die einzelnen Sportarten:
  Fußball
37%
  Turner
27%
  Radfahrer
11%
  Spielsportarten
7%
  Athleten
3%
  Schach
3%
  Schützen
3%
  Schwimmer
2%
  Leichtathleten
1%
  Wanderer
1%
  Motorradfahrer
1%
  Samariter
1%
  Spielleute (Musiker)
1%
  Kegler
1%
  Wasserfahrer
unter 1%
  Pfadfinder
0
  Flieger
0
Die Aufstellung läßt insgesamt erkennen, daß die Organisation nicht organisch gewachsen ist, sondern versucht wird, innerhalb kürzester Zeit mit den zur Verfügung stehenden geringen Mitteln eine große Zahl von Arbeitern für die revolutionäre Sportorganisation zu gewinnen.


12. Eigentumsstatus der Übungsplätze (Sportplätze, Turnhallen, Badeanstalten, Schießstände, Kegelbahnen, Vereinsheime):
      - kommunal: 53%
      - gepachtet und gemietet: 49%
      - eigener Besitz: 17%.
Im Durchschnitt jeder fünfte Verein hat zwei verschiedene Eigentumsverhältnisse seiner Sportstätten aufzuweisen, z.B. kommunale Turnhalle und eigenes Vereinsheim.
Von der totalen Unmöglichkeit einer geregelten Durchführung des Sportbetriebes durch Entzug der Genehmigungsbenutzung für kommunale Sportstätten ist von den 174 untersuchten Vereinen nur einer betroffen (Zentralverein für Arbeitersport Liebertwolkwitz).


13. Monatliche Beiträge (in Pf.):
Durchschnitt
min.
max.
Kinder
11
5*
20
Jugendliche
36
10
60
Arbeitslose
39
20
100
Männer
62
20
400
Frauen
42
15
100
* In einer Reihe von Vereinen sind Kinder beitragsfrei.


14. Schulungskurse werden im ersten Halbjahr 1932 von 53% aller Vereine durchgeführt, bei diesen im Durchschnitt zwei pro Verein. Die Beteiligung beträgt durchschnittlich 35% der Mitglieder (min. 4%, max. 76%). Themenkreise der Kurse sind:
      - Sportpolitik bzw. "Sport und Politik": 76%
      - sporttechnische Fragen: 18%
      - andere Themen (Wirtschaft, Schutzstaffeln, Sowjetunion, Marxismus-Leninismus, Parteien,
         Freidenkertum, Krieg Japan-China, Psychoanalyse): 24%
(Die Angaben beziehen sich prozentual auf die durchführenden Vereine.)


15. Beteiligung an Training und Veranstaltungen (in % der Mitgliedschaft):
 
Durchschnitt
min.
max.
Training
48
1
100
Veranstaltungen
72
6
100


16. Die Organisierung bzw. Untergliederung in 5er-Gruppen ist Mitte 1932 in 33% der Vereine vollzogen.


17. In dem vorliegenden "General-Fragebogen ..." erfahren wir nichts über die Führungskader und den politisch aktiven Kern der Mitglieder in den Vereinen. Ergänzende Quellen geben hier Ansatzpunkte:
Eine Anwesenheitsliste einer Beratung der Landesleitung Sachsen mit KG-Funktionären aus dem gesamten Landesgebiet und mit Eugen Betzer von der Reichsleitung als Referenten läßt folgendes Bild entstehen: Von den 94 Teilnehmern sind 17 nicht Mitglied der KPD. Von diesen 17 wiederum sind zwei aus der KPD ausgetreten oder ausgeschlossen, einer Mitglied des KJVD. Wir können also annehmen, daß die Mehrheit der Funktionäre auf Ebene der Agitbezirke und Vereine Genossen der KPD sind.(20) Der politisch aktive Kern der Vereine wird durch jene Sportler gebildet, die gleichzeitig auch in der KPD oder anderen revolutionären Massenorganisationen organisiert sind. Wie aus den Anklageschriften der faschistischen Justiz zwischen 1933 und 1935 ersichtlich ist, war es auch dieser Personenkreis, der den antifschistischen Widerstand im Frühjahr/Sommer 1933 aufnahm.(21)

*


Würden wir einen "Ideal-Typus" des sächsischen Rot-Sportlers von 1932 bestimmen wollen, so würde dies ein arbeitsloser Arbeiter zwischen 20 und 30 Jahren sein, der keiner Partei und keiner Gewerkschaft angehört, keine Zeitung regelmäßig liest, letztlich aber kommunistischen Ideen verhaftet und dem Masseneinfluß der KPD zuzurechnen ist. In seinem Verein wäre er als Fußballer oder Turner sportlich organisiert, zahlte monatlich 40Pf. Beitrag (was für ihn ein nicht unwesentliches Opfer darstellt), würde an jedem zweiten Trainingsabend und an drei von vier Vereinsveranstaltungen teilnehmen und wäre im ersten Halbjahr Teilnehmer eines Schulungsabends im Verein zum Thema "Sport und Politik", desgleichen bei einer Aktion des Vereins (öffentliche Sportlerversammlung, "Solidaritätsspiel" u.ä.), die die Herstellung der Aktionseinheit mit den Mitgliedern des benachbarten reformistischen oder bürgerlichen Vereins zum Ziele hätte. Die Funktionäre seines Rot-Sport-Vereins würden Genossen der KPD sein, die einen ständigen zähen Kampf zur Sicherung der organisatorischen Existenz dieses Sportvereins führen - beim Ausschluß der kommunistischen Sportler ist es nicht gelungen, wesentliche Vermögenswerte in die KG hinüberzuretten. Diese materiell komplizierte Lage des 1931/32 zur KG gestoßenen Vereins beeinflußt die Attraktivität und die Bandbreite des Sportbetriebes; es werden v.a. "billige" Sportarten mit der Möglichkeit zur Beschäftigung großer Sportlerzahlen betrieben. Da kein eigenes Vermögen vorhanden ist, werden Training und Wettkämpfe auf gemieteten bzw. gepachteten Sportstätten durchgeführt. Auswirkung der letztgenannten Faktoren sind die geringe Mitgliederzahl des Vereins (unter 100) und deren nur geringe Steigerung.


Anmerkungen:

(1) Vgl. Beckmanns Sportlexikon A-Z, Leipzig-Wien 1933, S. 1390f., 2077f., 2482.

(2) Geschichte der Körperkultur in Deutschland von 1917 bis 1945, Berlin 1964 (2.Aufl.1969). Illustrierte Geschichte der Körperkultur, Bd.2, Berlin 1983.

(3) Wonneberger, G., Deutsche Arbeitersportler gegen Faschisten und Militaristen 1929-1933, Berlin 1959. Westphal, H., Die proletarische Wehrsportbewegung in der Zeit der großen Weltwirtschaftskrise (1929-1933), Diss. Leipzig 1957. Wieczisk, G., Die Stellung der deutschen Turn- und Sportorganisationen zur faschistischen Diktatur und ihren sportfeindlichen Zielen, Diss. Leipzig 1956. Mattausch, W.-D., Deutsche Arbeitersportler im antifaschistischen Widerstandskampf 1933 bis 1945, Diss. Rostock 1983.

(4) Sportmuseum Leipzig (im folgenden: SML) D 2666.

(5) Vgl. Kupfer, T., Arbeitersportler gegen den Faschismus. Die Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit in Leipzig 1933 bis 1935, Diplomarbeit Leipzig 1988, Kapitel 3.

(6) Die einzelnen Agitbezirke umfassen folgende Orte (Zahlen in Klammern = Anzahl der Vereine):
Agitbezirk Leipzig: Albrechtshain, Altranstädt, Bennewitz, Beucha, Böhlen, Böhlitz-Ehrenberg (3), Borna, Borsdorf, Brandis, Braußnig, Burghausen, Dahlen, Delitzsch, Dölzig (2), Dürrenberg (2), Eilenburg (2), Eisdorf, Engelsdorf, Falkenhain, Frohburg, Gautzsch (3), Geithain, Gerichshain, Glesien, Glessin, Goddula, Göhren, Görnitz, Grimma, Groitzsch, Großdeuben, Großgörschen, Großlehna (2), Großstädteln, Hohenleina, Holzhausen, Kitscher, Kitzen, Knauthain-Hartmannsdorf, Königsfeld, Kötzschau-Schladebach, Lausen (2), Lausick, Leipzig (50), Liebertwolkwitz (2), Lindenthal, Lucka (2), Lützen, Lützschena, Markranstädt, Meuselwitz, Miltitz, Mühlau, Naunhof, Nehmitz, Nerchau (2), Neu-Königsfeld, Obergräfenhain, Oetzsch bei Leipzig, Oetzsch bei Lützen, Panitzsch, Pegau, Plaußig, Prießnitz, Prödel, Radefeld, Ramsdorf, Regis, Rodden, Rückmarsdorf, Schkeuditz (3), Schladebach, Schladitz, Schöna, Stahmeln, Strelln, Syhra (2), Taucha (4), Teuditz, Teuritz, Thammenhain, Thesau, Thierbach, Tollwitz, Trebsen, Wiederitzsch, Witznitz, Wurzen (2), Wolteritz, Zoebigker, Zschölkau, Zwenkau (2);
Agitbezirk Dresden: Bannewitz, Bischofswerda, Brand-Erbisdorf (3), Braunsdorf, Bretnig, Brockwitz, Brößnitz, Cossebaude, Cossmannsdorf, Cotta, Cunnersdorf, Deuben (2), Dippoldiswalde, Dittersbach, Dohna (2), Dresden (27), Ebenheit, Freiberg, Freital (2), Gittersee, Hainsberg (2), Heidenau (5), Höckendorf, Kamenz, Königsbrück (2), Königstein (2), Kötzschenbroda, Kreischa, Krippen, Langenhennersdorf, Laupnitz, Laußnitz, Leisnig, Leppersdorf, Leuben, Löbtau, Lößnig, Meißen (2), Mühlbach (2), Nenntmannsdorf, Niedersedlitz, Ottendorf-Okrilla, Pirna (3), Polenz (2), Postelwitz, Possendorf, Rabenau, Radeberg, Radebeul, Radeburg, Rähnitz-Sellerau, Reinhardtsdorf, Ripien, Rottwernsdorf, Schandau, Schönfeld, Sebnitz, Struppen, Wehlen, Weixdorf (2), Zauckerode, Zschachwitz, Zschieren;
Agitbezirk Chemnitz: Burkhardtsdorf, Callenberg, Chemnitz (25), Dittersdorf, Einsiedel (2), Erdmannsdorf, Euba, Falken, Falkenau, Flöha, Forchheim, Frankenberg, Gersdorf, Heidelberg, Hohenstein-Ernstthal (2), Krumhermersdorf, Langenberg, Langenchursdorf, Lengefeld, Leukersdorf, Lichtenstein, Marbach, Marienberg, Meinersdorf, Mittelsaida, Mittelheide, Mittweida, Neukirchen, Neuwiesa, Neuwiese, Oberlungwitz, Oberwiera, Oberwürschnitz, Oederan, Oelsnitz (2), Plaue, Pobershau, Pockau, Reichenbach, Remse, Rittersburg, Schönau, Schönerstädt, Siegmar-Rabenstein, Stollberg, Thalheim (2), Zschochau, Zschpau;
Agitbezirk Limbach-Burgstädt: Braunsdorf, Burgstädt (2), Burkersdorf, Callenberg, Chursdorf, Claußnitz, Falken, Göppersdorf, Göritzhain, Hartmannsdorf (4), Heinersdorf, Herrenhaide, Kändler, Köthensdorf, Langenchursdorf, Limbach (8), Mittelfrohna (2), Mühlau, Oberfrohna (3), Obergräfenhain, Penig (4), Pleissa (3), Reichenbach, Rußdorf, Wechselburg, Wittgensdorf, Wolkenburg;
Agitbezirk Erzgebirge: Annaberg (2), Antonthal, Arnsfeld, Aue (5), Bermsgrün, Bernsbach, Bockau, Breitenbrunn, Buchholz, Burkhardtsdorf, Crandorf, Crottendorf (2), Ehrenfriedersdorf, Eibenstock, Elterlein, Groß-Rückerswalde, Grünhain, Grünstädtel, Grumbach (2), Königswalde, Lauter, Lößnitz (2), Neustädtel, Pöhla, Raschau (3), Rittersgrün, Scheibenberg, Schneeberg, Schönfeld, Schwarzbach, Schwarzenberg (2), Sehma, Thalheim, Weigert, Wiesa, Zschochau, Zschockau;
Agitbezirk Vogtland: Adorf, Altmannsgrün, Auerbach (2), Auma, Bobenneukirchen, Dorfstadt, Ebersbach, Eichigt, Falkenstein (3), Geilsdorf, Greiz, Haselrain, Juchhöh, Klingenthal, Lauterbach, Lengenfeld, Leumdöbra, Marienegg, Markneukirchen, Mylau (2), Oberlosa, Oelsnitz (2), Papstleithen (2), Plauen (14), Reichenbach (2), Reumtengrün (2), Rodewisch (3), Rohenwitz, Schöneck, Schreiersgrün (2), Selb, Thiergarten, Tiefenbrunn, Tirpersdorf, Tirschendorf, Treuen, Untertriebel (2), Zeulenroda (2);
Agitbezirk Oberlausitz: Bautzen, Bertsdorf, Bischofswerda, Bunewalde, Crosta-Lomske, Cunnewalde, Doberschau, Ebersbach, Friedersdorf, Görlitz, Görmitz, Groß Dubrau, Hoemitz, Jonsdorf, Kirschau, Lautersdorf, Löbau, Marienthal, Neugersdorf, Neukirch, Niederfriedersdorf, Oberseifersdorf, Olbersdorf, Reichenau, Sommerau, Taubenheim, Walddorf, Zittau;
Agitbezirk Zwickau: Callenberg, Crimmitschau, Gersdorf, Glauchau, Hartmannsdorf, Hermsdorf, Hohndorf, Kirchberg, Lugau, Lustenhain, Meerane, Mylau, Neuoelsnitz, Obercrinitz, Oberwiera, Oberwürschnitz, Oelsnitz (2), Planitz, Reinsdorf, Remse, Schmölln, Weißbach, Werdau (3), Wilkau, Zschocken, Zwickau (2);
Agitbezirk Döbeln: Colditz (2), Döbeln, Freimshain, Geringswalde, Löfgen, Leisnig (2), Noßen, Riesa (2), Roßwein, Trauenhain, Waldheim (2), Zeithain (2).
Quellen der Auflistung: SML D 2666, "Statistik Kloß, Paul"; Kupfer, T., Arbeitersportler ..., Kapitel 7.3.

(7) Vgl. Rote Sportlerheere stehen gerüstet!, Leipzig o.J.

(8) Berechnet nach: SML "Statistik Kloß, Paul"; Bl. 2.

(9) Vgl. Bericht der Landesleitung der Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit Sachsens an den 3.Landeskongreß am 26.Februar 1933 in Leipzig, o.O. o.J., S. 23.

(10) Vgl. An alle Vereine im Agitbezirk Leipzig (Rundschreiben der Leitung des Agitbezirkes Leipzig, 20.03.1932), S. 9f.

(11) Vgl. Rote Sportlerheere stehen gerüstet!, Leipzig o.J. (Januar 1933), S. 3.

(12) Vgl. Kupfer, T., Arbeitersportler ..., Kapitel 2.

(13) Berechnet nach: SML "Statistik Kloß, Paul", Bl. 2.

(14) Vgl. An alle Vereine ..., S. 9f.

(15) Berechnet nach: SML "Statistik Kloß, Paul", Bl. 2.

(16) Vgl. Rote Sportlerheere ..., S. 3 (wahrscheinlich abgerundet).

(17) SML "Statistik Kloß, Paul", Bl. 106.

(18) Vgl. Bericht ..., S. 26.

(19) Vgl. SML "Statistik Kloß, Paul", Bl. 63.

(20) Vgl. SML "Statistik Kloß, Paul", Bl. 86-88.

(21) Vgl. Staatsarchiv Dresden, Bestände Zuchthaus Waldheim und Zuchthaus Zwickau.